DIFFERENTIALDIAGNOSE EINZELNER FISCHVERGIFTUNGEN
--Typische Fisch und Muschelvergiftungen zeigen außer den
gastrointestinalen Symptomen noch neurologische Ausfälle,
wie Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen.
-AUSNAHME mit nur GIT-Symptomen: gastrointestinale Form
der Schellfisch- u. Muschelvergiftung und Scombrotoxismus
--DIFF.-DIAGNOSE der unterschiedlichen Formen der Fisch-
vergiftungen erfolgt nach Anamnese, Klinik und örtlichem
Vorkommen; Toxinnachweise sind für wissenschaftliche
Fragen im Fisch- oder Muschelgewebe oder -Sud möglich.(1)
Immer ist auch an normale bakterielle Infektionen zu denken siehe LEBENSMITTEL ALLGEMEIN
SCOMBROTOXIN
--Vorkommen: verdorbener Fisch (vor allem Tunfisch, Makre-
le, Anchovies, Sardine), in BRD meist als Konservenfisch,
in dem bakterielle Zersetzung Histamin entstehen ließ
--Inkubation: wenige Minuten bis 1h, selten mehr
--Symptome: Flush, Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit,
Erbrechen, Bauchweh, Durchfall; selten Bronchospasmus,
Rötung des ganzen Körpers, Uriticaria; ohne Behandlung in
seltenen Fällen Schock und Exitus möglich.
--Therapie: Antihistaminika wie z.B. Diphenhydramin, Prome-
tazin (Atosil), aber auch Cimetidin helfen gut und schnell
SCHELLFISCH UND MUSCHELVERGIFTUNG
Intoxikationen meist zeitlich und örtlich begrenzt abhängig von giftigen Planktonarten (Algenblüte).
-- GASTROINTESTINALE FORM: Okadasäuren (Dinophysistoxin)(4)
Küsten von Europa, Japan und Chile(1)
- INKUBATION: ca. 0,5-2-(12h); Erhohlung in 2-3d (1,4)
- GIT: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe; Bauchschmerz (1)
-- PARALYTISCHE FORM: Saxitoxin, Gonyautoxin; weltweit
berichtet von kalten bis subtropischen Zonen(1)
- INKUBATION: 0,5-3-(8)h (1,3)
- GIT: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe; Bauchschmerz (1)
- ZNS: Parästhesien Mund + Zunge dann Schwindel, dann
Parästhesien generalisiert; Ataxie, Muskelschwäche,
Doppelbilder, Sprach- Schluckstörung, Atemlähmung in
2-12h bei schweren Fällen; Muskelschwäche kann Wochen
persistieren, in leichten Fällen 2-3d (1,4)
-- NEUROTOXISCHE FORM: hitzestabile Breve-Toxine(4)
auch inhalatorisch bei durch Gischt von zerstäubten Algen
bisher bekannt Golf von Mexiko, Ostküste Floridas (1)
- INKUBATION: Min.-3h, einzelne Symptome bis 48h(1)
- GIT: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe; Bauchschmerz (1)
- ZNS: orale Parästhesien ausbreitend auf Pharynx und
Körper, Schwindel, Ataxie, Muskelschwäche aber nicht
bis Lähmung, Mydriase, Myalgien; evtl. paradoxe
Temperaturempfindung(1,4)
- SONST: bei Toxininhalation: Naselaufen, Husten, Kon-
junktivitis, Asthmaanfälle bei Asthmatikern (1,4)
-- AMNESTISCHE ZENTRALNERVÖSE FORM: Domosäure
bisher bekannt Ostküste Kanadas (1)
- INKUBATION: ca. 0,2-38h (1,4)
- GIT: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe; Bauchschmerz (1)
- ZNS: schwere Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, Verwir-
rung, Krampfanfälle, Koma, Atemdepression, Mutismus
teilweise bleibende anterograde Amnesie und sensomoto-
rische Neuropathie (1,4)
- COR: Arrhythmien, Blutdruckschwankungen(1)
TETRODOTOXIN
--Vorkommen: Japan Kugelfisch oder Fugu, außerdem selten in
Muscheln, Krabben, Schnecken (4)
--Tox.: Tetrodotoxin LD50(Maus): oral 330�g/kg,iv.10�g/kg(4)
blockiert selektiv den Na-Kanal erregbarer Membranen
--Inkubation: schon nach 10 Min. Erbrechen
--Symptome: schnell Pezigkeit und Parästhesien perioral mit
oder ohne Magen-Darmsymptome, dann Ausbreitung der Pel-
zigkeit und Beginn der Lähmung in 10-60 Min.; später
Paralyse mit Atemlähmung, Hypotonie, Rhythmusstörungen.
--Therapie: kein spez. Antidot, somit rein symptomatische
Therapie; wegen hoher Toxizität auch späte Kohlegabe über
Magensonde noch sinnvoll, oder frühzeitig Magenspülung
evtl. in Intubation bei schon beginnender Lähmung.
CIGUATOXIN
--Vorkommen: Fisch des tropischen Pazifik, Hawai, Florida
--Symptome: nach 3-5 h Übelkeit, Erbrechen, wässrige Diar-
rhoe, Bauchschmerzen für 8-18h anhaltend
dann nach 12-24 h Parästhesien zunächst perioral, später
an Extremitäten; typisch ist paradoxe Temperatur-Wahrneh-
mung mit Kribbeln, Elektrisieren und brennendes Gefühl bei Kältereiz; außerdem Muskelschwäche
--Therapie: siehe Ciguatoxin
CULPEOTOXISMUS
- GIT: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöe; Bauchschmerz (1,4)
- ZNS: Mydriasis, Kribbelgefühl, Muskelkrämpfe, Lähmung;
- COR: Arrhythmie, Hypotonie(1)
VENERUPIN ODER ASARI VERGIFTUNG
Kopfweh, GIT-Probleme, Nervosität, dann Leberversagen(4)
CALLISTIN VERGIFTUNG
1h nach Ingestion cholinerge Krise mit Speichel-u. Schweiß-
fluß, Übelkeit, Erbrechen, Bronchospasmus, Bronchorrhö,
Bradykardie; zusätzlich Flush, Pelzigkeit, Lähmung
--Therapie: Atropin, darunter langsam Symptomabklingen(4)
THERAPIE ALLGEMEIN BEI OBIGEN FISCHVERGIFTUNGEN
--PRIMÄRE GIFTENTFERNUNG: meist außer Kohlegabe nichts mehr
möglich, da Pat. erst nach Giftresorption (Symptome) in
Klinik kommt.
--ALLGEMEINE THERAPIE: Rehydratation, evtl. Beatmen keine
spezielle Therapie bekannt für jede der Fischvergiftungen
ausgenommen evtl. Ciguatoxin(4)
--ANTIDOTE: im Tierversuch Antisaxitoxin-Antikörper gegen
paralytische Form und Kynurensäure gegen Domosäure beim
Mensch nicht erprobt (4)
--SEKUNDÄRE GIFTENTFERNUNG
HD bei Schellfischvergiftung bei einem Pat. evtl. erfolg-
reich, und HP im Tierversuch (4)
TOXINE
meist organ. Gifte von einzelligen Algen (Dinoflagellaten + Kieselalgen), die bei starker Algenvermehrung in der Muschel oder im Fischfleisch gespeichert werden, wie in Meeresschnecken (vor allem pazifischer Raum + Japan), Krabben + Krebstieren (pazifischer + indopaz. Raum) (1)
--bekannte Toxine bei Schellfischvergiftung:
- Saxitoxin und Gonyautoxin paralytische Form binden an
Na- Kanäle erregbarer Membranen(1)
- die Alge Gymnodium breve produziert 2 hitze- und säure-
stabile, alkalilabile Breve-Toxine (4), sie halten
h-gate der Na-Kanäle offen (4)
- die Algengattung Dinophsis sp. produziert Okadasäuren
(Dinophysistoxin)(4) + Pectenotoxin + Yessetoxin (1)
- Nitschia pungens + andere Nitschia sp. produzieren Domo-
säure, die Ähnlichkeit hat mit Glutaminsäure und stark
depolarisierend wirkt auf die Vorderwurzelzellen des
Rückenmarkes(4)
SYNONYME
Muschelvergiftung; Schneckenvergiftung; Domosäure; Domoic acid; Nitschia pungens; Meeresschneckenvergiftung; Krebsvergiftung; Krabbenvergiftung; Meerestiervergiftung; shellfishpoisoning; Fischvergiftung; Saxitoxin; Gonyautoxin; diarrethic shellfish poisoning; Breve-Toxin; Okadasäure; Dinophysistoxin; Culpeotoxismus; Venerupin; Callistin Vergiftung; Callista brevisiphonata; Schellfischvergiftung; Pufferfisch; Kugelfischvergiftung; Fuguvergiftung; Tetrodotoxin; Scombrotoxin; Skombrotoxin; Thunfisch; Makrele; Anchovis; Sardine; Sardelle
GRUPPENZUGEHÖRIGKEIT
Lebensmittel; Tiere giftige; Differentialdiagnosen
LITERATUR
1. Junghans Th.; Bodio M: Notfall-Handbuch der Gifttiere
Georg Thiemeverlag Stuttgart 1996
3. Anthony T Marine toxins and venoms
Marcel Decker 1988
4. Meier J.; White J.: Handbook of clinical toxicology of
animal venoms and poisons
CRC Press 1995